Umlaufbahnen von 28 Sternen um Schwarzes Loch in Milchstraße berechnet

Nach 16 Jahren geduldiger Arbeit haben Astronomen aus Deutschland, Frankreich, den USA, Israel und Chile die Umlaufbahnen von 28 Sternen im Zentrum unserer Galaxis berechnet. Dies liefert neue Informationen über das supermassereiche Schwarze Loch, bekannt als Sagittarius A*, im Herzen der Milchstraße. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit, die auch Einblick in die Entstehung von Sternen verschaffen, wurden im Onlinejournal arXiv veröffentlicht. „Das Zentrum der Galaxie ist ein einzigartiges Labor, in dem wir grundlegende Gesetze der Schwerkraft, der Sternendynamik und Sternbildung studieren können, die für alle anderen galaktischen Kerne von großer Bedeutung sind. Dort im galaktischen Zentrum erreicht man einen Detaillierungsgrad, der jenseits unserer Galaxis nie möglich sein wird“, erklärte Prof. Dr. Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Deutschland. Da die Sicht auf den zentralen Bereich der Milchstraße durch interstellaren Staub behindert wird, benutzten die Wissenschaftler zur Beobachtung der sich um Sagittarius A* bewegenden zentralen Sterne Wellenlängen im infraroten Bereich. Die Beobachtung der Sternenumlaufbahnen erlaubte es den Astronomen, auf wichtige Eigenschaften des schwarzen Lochs wie seine Masse Rückschlüsse zu ziehen, und die Entfernung des galaktischen Zentrums nachzurechnen. Diese Messung hat für vorhandene Modelle unserer Galaxis grundlegende Bedeutung. Die Untersuchung begann 1992, als die Wissenschaftler hochauflösende Bilder der zentralen Region der Galaxis unter Einsatz der SHARP-Kamera sammelten, die an das 3,5 Meter New-Technology-Telescope der Europäischen Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre (European Southern Observatory, ESO) in Chile angeschlossen ist. Seit 2002 wurden verbesserte Bilddaten unter Nutzung des Naos-Conica-Systems (NACO) zusammengetragen, das sich am 8,2-Meter-Very-Large-Telescope (VLT) der ESO befindet, und ab Juli 2004 folgten spektroskopische Beobachtungen, die durch das gleichfalls an das VLT angeschlossene SINFONI-Feldspektrometer möglich wurden. Die Genauigkeit, mit der die Positionen der Sterne gemessen werden können, wurde mithilfe der Studie erheblich verbessert. Die Genauigkeit liegt innerhalb von 300 Mikrobogensekunden, was mit der Betrachtung einer Ein-Euro-Münze aus einer Entfernung von rund 10.000 km vergleichbar ist. Die Beobachtungen erlaubten es den Wissenschaftlern auch, die Schätzung der Entfernung zum Zentrum der Galaxis zu aktualisieren. Dies ist eine wichtige Berechnung. Eine der Hauptleistungen der Studie bestand in der Beobachtung einer vollständigen Umlaufbahn eines Sterns mit der Bezeichnung S2, der einer der hellsten beobachteten Sterne ist und in ungefähr 15 Jahren einen ganzen Umlauf um das Zentrum der Milchstraße vollendete. (Zum Vergleich: Die galaktische Umlaufdauer der Sonne beträgt rund 200 Millionen Jahre.) Diese Beobachtung einer kompletten Umlaufbahn ermöglichte die hohe Genauigkeit der Berechnungen. Dennoch verzeichneten die Forscher interessanterweise an einem bestimmten Punkt, dass sich die Helligkeit von S2 und seine Geschwindigkeit veränderten. Eine Erklärung dieser Abweichung bleibt Gegenstand einer faszinierenden Diskussion. Die Untersuchung ermittelte Umlaufbahnen für 20 junge Sterne. Dieser bedeutende Anstieg in der Anzahl bekannter Orbits gestattet es den Wissenschaftlern, nach gemeinsamen, diese zentrale Population von Sternen charakterisierenden Eigenschaften zu suchen. „Die Sterne im innersten Bereich befinden sich auf zufällig orientierten Umlaufbahnen, wie ein Bienenschwarm“, so Erstautor Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Die Wissenschaftler bestimmten die Umlaufbahnen von sechs älteren Sternen in dieser Region zum ersten Mal und es bestätigte sich auch die frühere Vermutung, dass sechs junge Sterne das Schwarze Loch im Uhrzeigersinn, in einer Scheibe, umkreisen. Die Bestimmung der Eigenschaften der Umlaufbahnen der zentralen Sterne liefert viel Wissen über deren Ursprung. Die Szenarien für die Entstehung dieser Sterne bleiben ein Schwerpunkt der laufenden Untersuchung, da sie viel zu jung sind, um von weither dorthin gekommen zu sein, sie aber wahrscheinlich auch nicht auf ihren jetzigen Umlaufbahnen entstanden sind, wo die Anziehungskräfte des Schwarzen Lochs wirken. Auf der Grundlage ihrer Beobachtungen stellten die Astronomen Vermutungen an, dass zusätzlich zu dem supermassiven Schwarzen Loch eine wesentliche Menge an Masse in der Form eines Clusters „dunkler stellarer Reste“ rund um das Schwarze Loch vorhanden sein könnte. „Der zweifellos spektakulärste Aspekt unserer Langzeitstudie ist, dass sie den bisher besten empirischen Beweis erbracht hat, dass supermassive Schwarze Löcher wirklich existieren“, so Professor Genzel. „Die Sternorbits im galaktischen Zentrum zeigen, dass die zentrale Massekonzentration von vier Millionen Sonnenmassen ein Schwarzes Loch sein muss, ohne jeden Zweifel.“ Laut Frank Eisenhauer, Projektleiter des Instruments GRAVITY, das in den nächsten Untersuchungen zum Einsatz kommen soll, „wird der nächste große Schritt sein, das Licht von den vier 8,2-Meter-Unit-Telescopes des VLT zu kombinieren – eine Technik, die als Interferometrie bezeichnet wird.“ „Dies wird die Genauigkeit der Beobachtungen im Vergleich zum heute Möglichen um einen Faktor zwischen 10 und 100 erhöhen. Diese Kombination hat das Potenzial, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie in der gegenwärtig noch unerforschten Region nahe an einem Schwarzen Loch direkt zu überprüfen.“

Beteiligte Länder

Chile, Deutschland, Frankreich, Israel, Vereinigte Staaten

 

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